Zeitung01.08.16 Neu


 

 
 
 

Rainer Wingert hat zahlreiche Dinge aus der Mitropa- und Schlafwagenära zusammengetragen. Darunter auch ein Nachttopf.

Foto: Andreas Wohland

Souvenirs, Souvenirs ...

Viele Westsachsen gehen ungewöhnlichen Freizeitbeschäftigungen nach. "Freie Presse" stellt die Liebhabereien in einer Serie vor. Heute: Mitropa-Fan Rainer Wingert

Von Andreas Wohland
erschienen am 01.08.2016

Kirchberg. Wenn Rainer Wingert gelegentlich als Schlafwagenschaffner bezeichnet wird, kann der 59-jährige Kirchberger in dieser Bemerkung keineswegs eine Beleidigung entdecken. "Warum auch, schließlich war ich ja viele Jahre im Schlafwagenbetrieb als Zugbegleiter für die Mitropa und das gleichartige französische Schlafwagenunternehmen Wagons-Lits tätig. Letzteres hat einst auch den berühmten Orientexpress bewirtschaftet. Ich weiß also aus eigenem Erfahren ziemlich genau, was hinter dieser Aufgabe steckt. Die ganze Nacht dösend in einer Ecke herumsitzen ist nicht. Vielmehr hatte man auf das Wohl der Fahrgäste zu achten", sagt er.

Inzwischen ist er ein rühriges Mitglied der in Berlin ansässigen "Freunde der Mitropa" und versucht dort mit der Gestaltung diverser Souvenirs ein wenig Schwung in die öffentliche Wahrnehmung des Vereines zu bringen. Und während gelernte DDR-Bürger beim Wörtchen Mitropa meist nur an recht spartanisch eingerichtete Bahnhofsgaststätten mit dickwandigem Geschirr denken, kennt Rainer Wingert auch noch eine andere Seite. "In den Fernzügen war der Service schon auf einem guten Niveau. Ganz zu schweigen von den Zügen, die im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt wurden. Aber zu DDR-Zeiten dort Dienst zu tun, war für mich kaum denkbar."

Zu seinem rollenden Arbeitsplatz bei der Bahn kam Rainer Wingert eher zufällig. Ursprünglich absolvierte er im Zwickauer Sachsenringwerk eine Lehre zum Autolackierer, die er aus gesundheitlichen Gründen aber nicht beenden konnte. 1975 stellte ihn die Deutsche Reichsbahn zunächst als ungelernte Hilfskraft ein. Schon im Folgejahr fuhr er als Schaffner vor allem durch den Süden der damaligen DDR, durfte aber auch Fernzüge Richtung Berlin und Ostsee begleiten. Nach dem Fall der innerdeutschen Grenzen kam ihm beruflich der Zufall zu Hilfe. Aus den Reiseangeboten des Christlichen Vereins junger Menschen (CVJM) wählte er einen Abstecher an den Starnberger See aus. Dort freundete er sich mit einem Journalisten an, der für ein großes deutsches Nachrichtenmagazin tätig war. Eine langjährige Bekanntschaft mit weitreichenden Folgen, denn der Pressemann kannte den damaligen Bahnchef Heinz Dürr. Und das wohl recht gut. Im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht erhielt Rainer Wingert die Chance, in München zu arbeiten. "An einem Sonnabend vor Beginn der Nachtschicht musste ich in Zwickau zum Schichtleiter und bekam gesagt, mein Arbeitsort befände sich ab Montag in München. Warum, weshalb konnte er sich nicht erklären. Ich war dann von September 1991 bis Januar 2004 in der bayerischen Landeshauptstadt tätig."

Rainer Wingert hat zahlreiche Souvenirs aus seiner Zeit bei der Bahn zusammengetragen. Darunter nicht nur übliche Sachen wie Uniformen, Fahrkarten, Modelleisenbahnen oder das legendäre Geschirr mit Mitropa-Aufdruck. Der Kirchberger Bahnfan ist sogar in Besitz eines Nachttopfes aus dem Bestand der französischen Wagons-Lits, die ihren Betrieb in Deutschland im Jahr 2000 einstellte. Wagons-Lits, die über mehrere deutsche Dienststellen verfügten, bewirtschafteten damals im Auftrag von DB-Autozug die entsprechenden Züge.

 
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