Rainer Wingert ist passionierter Schweiz- und Eisenbahnfan
Kirchberg. Um an der Jahreshauptversammlung ihres Vereins teilzunehmen, reicht es für die meisten Mitglieder in der Regel aus, mal kurz um ein paar Ecken zu gehen oder in den Nachbarort zu fahren. Bei Rainer Wingert ist es damit nicht getan. Der 54-jährige Kirchberger gehört gleich drei Vereinen an: dem Modellbahnverein seiner Heimatstadt, dem der Zwickauer Köche und dem Schweizer Verein zur Förderung historischer Forchbahnfahrzeuge.
Ursprung der ungewöhnlichen Vereinsmitgliedschaft im Land der Eidgenossen war ein kirchliches Ostertreffen, das noch zu DDR-Zeiten auf Schloss Moritzburg stattfand. Seinerzeit sprach ein Gast aus dem Westen Deutschlands die für die Anwesenden unglaublichen Worte aus: Ihr seid alle herzlich eingeladen. Als sich Rainer Wingert nach dem Mauerfall in München sein Begrüßungsgeld abholte, erinnerte er sich an diese Einladung. "Ich bin mehr aus Neugier zum dortigen Christlichen Verein junger Menschen (CVJM) gegangen, fand nette Gesprächspartner und erhielt auch Prospekte mit dem aktuellen CVJM-Programm. Einziges Reiseziel, das ich mir damals leisten konnte, war der Starnberger See", sagte er. Dort freundete er sich mit einem Journalisten an, der für ein großes deutsches Nachrichtenmagazin tätig war.
Eine langjährige Bekanntschaft mit weit reichenden Folgen, denn der Pressemann kannte den damaligen Bahnchef Heinz Dürr. Und das wohl recht gut, denn im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht erhielt Rainer Wingert die Chance, in München zu arbeiten. "An einem Sonnabend vor Beginn der Nachtschicht musste ich in Zwickau zum Schichtleiter und bekam gesagt, mein Arbeitsort sei ab Montag in München. Warum, weshalb konnte er sich nicht erklären. So kam es, dass ich von September 1991 bis Januar 2004 in der bayerischen Landeshauptstadt tätig war."
Obwohl eigentlich als Schaffner im Nahverkehr eingestellt, durfte er hin und wieder auch in Fernzügen mit Fahrtziel Schweiz Dienst tun. Aus den Kontakten zu seinen Schweizer Kollegen ging eine seit vielen Jahren währende Freundschaft zu einem Lokführer bei der Forchbahn nahe Zürich hervor. "Mein Freund Patrick brachte mich auch zum Verein zur Förderung historischer Forchbahnfahrzeuge. Inzwischen helfe ich dort bei Sonderfahrten als Kondukteur und habe sogar eine entsprechende Uniform", sagte er. Dass Rainer Wingert als Eisenbahner zudem noch Mitglied im Zwickauer Köcheverein ist, hat auch mit seinem Schienenjob zu tun. "Ich bin von 1996 bis 1999 im Schlafwagenbetrieb nach Italien und Frankreich gefahren. Zu meinen Aufgaben gehörte es unter anderem, einfache Speisen anzurichten. Uwe Wirkner - ich kenne ihm vom Freundeskreis der Mitropa - hat mich dann mal zum Köcheverein eingeladen, und jetzt bin ich dort Mitglied. Ohne Koch zu sein."
Besonders gern berichtet Rainer Wingert aber über eine Sache, die rein gar nichts mit der Eisenbahn zu tun hat: eine Bushaltestelle in einem Züricher Vorort, die die Bezeichnung "Im Wingert" trägt. "Selbst wenn sich das nicht auf mich bezieht, freue ich mich doch darüber und fahre ab und zu dort hin."
erschienen am 02.01.2012 in der Freie Presse Zwickau ( Von Andreas Wohland )